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  • AutorenbildFelix

#46 // Wasted



Du kamst im Winter. Und gehen musstest du im Sommer. Weil ich trotz Hitzegewittern überall Erfrierungen hatte. Der Frost hatte sich langsam aus deiner Brust heraus, über meine Hände in meine Blutbahn gefressen. Ich werde deine roten Wangen nicht vergessen, die mir traurig hinterher gewackelt sind, als ich durch dein Schneegestöber aufs dünne Eis rannte. Ich bin glatt durchgelaufen bis nach Hause. Du warst damals durch eine Tür in meinen Schutzraum getreten und hast versprochen, dass es mit dir besser werden würde.


Versprochen hast du es, und deine Halsschlagadern lagen dabei über Kreuz, ich hab es nicht gesehen. Und weil ich dir glauben wollte, hab ich mich darauf eingelassen, habe alles offen gelassen und so lange auf Nummer sicher gewartet, bis nicht mal mehr ein Vielleicht übrig war. Du hast in den ersten Wochen deine Hand auf meine Brust gelegt und gesagt: Ich kann dich heilen. Als ich dich aus dem Haus gejagt habe, hat mir mein linker Arm weh getan und in meinem Mund schmeckte alles nach Blei. Ich war ein Fall für den Kardiologen, du ein Reinfall aus tausend Metern. Als du mal für ein paar Wochen eingezogen bist, hast du ein Regal mitgebracht. Es ist bis heute nicht angeschraubt. Nichts ist hängen geblieben, außer etwas Schmutz an den weißen Wänden. Ich musste sie weiß streichen nach dir. Raufasermädchen sind einfach nichts für mich, was aussieht wie Struktur, ist nichts als flacher Schatten. Du hast jetzt einen neuen Nachnamen, wohnst am See und hast ein Kind mit einem schönen Vornamen. Du sagst du hoffst, dass ich wieder glücklich werde. Ich sage vielleicht. An dem Tag, an dem dir jemand etwas verspricht, von dem er schon weiß, dass er es nicht halten kann. An diesem Tag werde ich nicht glücklich sein. Ich werde ruhig einschlafen.


Du kamst im Herbst. Gefallen an dir haben mir vor allem die Blätter, die von deinen Zweigen auf meine Wunden fielen. Aus deinen blonden Haaren wehte der Wind aus Richtung Sommer, er hat mir nichts außer schlaflosen Nächten in klammen Laken gebracht. Wir wollten Juli, aber gingen auf Dezember zu. Unter unserer Decke war immer tropische Klimazone. Vielleicht hat uns das den Blick auf das Wesentliche vernebelt. Du warst mal hier und meistens da. Du warst bei mir und mal bei ihm. Wenn du geschlafen hast, kamen seine Nachrichten. Um schlecht zu träumen muss man nicht tief schlafen, man muss nur seine Augen offen halten. Wenn ich dich geweckt und danach gefragt habe, konntest du dich nicht mal an meinen Namen erinnern. Du hast immer gesagt, dass du dir nicht sicher wärst. Ich hab dir gesagt, dass nichts sicher ist. Du hast mir nichts versprochen, du hast den Moment in mir geliebt, während die Ewigkeit allein blieb. Wenn du bei Dreharbeiten warst, hab ich Filme geschoben. Ich wusste nie, was in deinem Drehbuch stand. Aber ich hatte meine Texte auswendig gelernt und hab dir meine Szene gemacht. Du hast es nicht verstanden. Nie hast du mich richtig verstanden. Irgendwann dann hab ich ein Hörgerät hinter deinem rechten Ohr entdeckt. Du hast geweint und ich hab es als Zugeständnis an mich verstanden.


Unter der Sonne in Portugal hast du mir dann deinen Schatten gezeigt. Wer zusammen in die Ferne fährt, lernt sich erst aus der Nähe kennen.  Keine Gegenwehr von dir, als ich dich frontal mit meinen Wünschen angegriffen habe. Nicht mal die Hände hast du gehoben, immer nur den Kopf gesenkt. Den Rückflug haben wir verpasst. Genau so wie unsere zweite Chance. Du hast jetzt was aufgebaut, sagst du. Und keine Hand mehr frei für ein Bier. Du sagst irgendwann vielleicht. Ich sage steck dir deine Unverbindlichkeit zwischen deine lahmen Beine. An dem Tag, an dem du jemanden nicht halten kannst, den du für etwas Besonderes hältst. An dem Tag werde ich nicht froh sein. Aber ich werde ruhig atmen.


Du kamst im Frühling. Über meine Grenze in einem dicken Eispanzer. Dein Winter war länger als meiner. In deinem kühlen Schatten bin ich ruhiger geworden. Mit dir hatte ich immer das Gefühl, den letzten Sommertag drinnen zu verbringen. Aus dem Getöse vor dir, wurde die Stille nach dem Schuss. Du meintest, dass du es nicht magst, wenn man deine Haare anfasst. Da hätte ich schon wissen müssen, dass ich mich angreifbar mache mit dir. Aber ich wollte da durch, mit meinem Kopf durch deine Wand aus Angst. Manchmal hast du mich einfach nur angeschaut, während ich erzählt habe. Ich dachte du hättest zugehört. Dabei hast du dir meine Farben schwarz angemalt mit deiner Furcht vor irgendwas. Du hättest niemals so etwas haben müssen, keine Sekunde. Was für eine Verschwendung von frischem Blut. Im Nachhinein hab ich mich immer gefragt, wie wir überhaupt soweit kommen konnten. Wille versetzt manchmal Berge direkt auf die Straße, in die man gerade eingebogen ist. Du lagst damals auf meinem Weg und hast mir deine Hand gereicht. Nur dass ich dir nicht hoch geholfen habe, sondern du mich runter gezogen. Du hast nie geredet, nicht so wie man es versteht. Ich hab lange jede Nacht die Fenster offen gelassen und die Schüssel auf deinen Planeten ausgerichtet. Ich habe nichts empfangen, außer deinem weißen Rauschen. Meine Entscheidung für uns war dein Scheidungsgrund. Ich hab die Wahrheit gesagt. Du hast für mich gelogen. Je lieber ich uns hatte, desto lieber wolltest du für dich sein. Du wolltest zu deiner Familie. Ich wollte eine Familie. Ganz am Anfang, da hattest du mir mal gesagt, dass du ankommen willst. Ich hielt das für ein Angebot und sperrte mich weit auf. Aber es war eine Ankündigung deiner vorzeitigen Kündigung unseres Verhältnisses. Ich hab für dich gekämpft, du gegen mich. Wir haben uns aneinander verschwendet. Du sagst, du bist dankbar für alles, was ich für dich getan habe. Ich sage ich bin wieder am Anfang, nur dass mir jetzt drei Jahre voller Tage fehlen. An dem Tag, an dem du auf jemanden zugehst, der heimlich rückwärts läuft. An dem Tag werde ich nicht lachen. Aber ich werde an nichts Schlechtes denken.


Ich bin es leid, egal welche Jahreszeit gerade ist. Ich treffe dich zu einer Zeit, die nicht die richtige ist. Ich lasse mich von dir treffen, obwohl du nicht die richtige bist. Lauf an mir vorbei, wenn du mich siehst. Und wenn du auch nur eine Sekunde denkst, dass ich irgendwas sein könnte, lass mich in Ruhe ich sein. Ich lege keinen Wert mehr auf deinen Nachttisch. Ich lege meinen Wert mehr auf mich. Ich verkaufe mich nicht mehr für deine zwei drei Monate oder Jahre, nur weil du nett zu meinen Dämonen bist. Unter immer mach ich es nicht mehr mit dir. Geh weiter, such dir jemanden, der dich auch nicht sucht. Ich werde dir auch nicht nachschauen, mein Keller ist voll.


Ich habe keinen Platz mehr für deine Unverbindlichkeiten. Ich habe keine Lust mehr auf meine Unannehmlichkeiten. Ich schaue nicht mehr hoch, wenn du gut riechst oder mich in der S-Bahn über die Scheibe heimlich anschaust. Ich bleib drinnen wenn du draußen vor meinem Fenster auf dem Bordstein mit den Absätzen klapperst, ich mach sogar noch das Fenster zu und kaufe ein zweites Paar Vorhänge. Ich lösche deine Nachricht nüchtern noch während du sie betrunken schreibst. Ich blockiere deine Nummer mit einem großen Stein vor meiner Tür. Komm wieder wenn du soweit bist. Wenn du reden kannst, und dabei etwas sagst. Wenn du zuhören kannst, bis es dir am Morgen graut. Komm wieder, wenn du auf deinem Weg eine Entscheidung getroffen hast. Wenn du Zukunft nicht mehr mit Augenblicken verwechselt. Ruf mich an, wenn du Verben bis zur ersten Person Mehrzahl deklinieren kannst. Triff mich zufällig morgens auf der Straße, wenn du die Nächte nicht mehr dazu benutzt, dich selbst zu feiern für deine Orientierunglosigkeit. Leg dich zu mir, wenn du aushalten kannst, dass ich nachts aufstehe, damit ich um das letzte Licht fliegen kann. Leg dich mit mir an, wenn du Selbstverteidigung nicht mehr mit Angriff verwechselst. Du sagst es war auch immer deine Schuld, neben meiner.  Ich sage gar nichts mehr, das dir helfen könnte. Hilfe und Rat sind erst mal abgesagt.

Verschwende meine Zeit nicht mehr mit dir. Ich hab nämlich Besseres zu tun. Zum Beispiel mir bei der nächsten Gelegenheit aufs Neue Leid zu tun.


.felix wetzel.

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