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#22 // Müssen wir Ihnen mitteilen



Briefe bringen auch nicht mehr das, was ich mal war. Die Theorie ist: Wenn du auf eine gute Nachricht wartest, lässt sie dich auf sich warten. Vielleicht kommt sie nie, vielleicht zu spät, da kannst du deinen Briefkasten noch so bunt anmalen oder raus auf den Gehweg stellen. Du brauchst auch nicht dem Postauto ein Bein stellen und dich mit verschränkten Armen vor das Haus auf die Treppe mit den alten Kaugummis setzen. Es kommt wie es kommt, meistens in your face. In Umschlägen stecken manchmal Niederschläge. Ist doch nur ein Ratschlag, sagst du. Ich schlage mir was aus dem Kopf mit der flachen Hand. Das Leben klatscht Beifall auf meinen blanken Arsch. Drüben im Nachbarhaus ruft eine alte Frau aus dem Fenster: Aber bitte werden Sie jetzt kein Diktator, wie der Österreicher. Mir reichts, ich schließe die Vorhänge und pflege meinen Schatten.


Beim Boxen muss der Kontrahent in die neutrale Ecke, wenn er jemanden niedergeschlagen hat. Das Leben aber hat keinen Sportsgeist, es geht zum Ringrichter und haut auf die Glocke, während du da liegst und das Nummerngirl für eine echte Chance hältst. Du sagst, ich würde niedergeschlagen aussehen. Ja, ich zähle nicht ohne Grund schon die ganze Zeit leise bis Zehn. Mein Leben hat eine Platzwunde, es muss genäht werden. Im Krankenhaus treffe ich den Arzt, er hat Boxhandschuhe an den Händen. Er geht in den Infight und klammert. Zuhause habe ich noch Jod, das schmier ich mir in die linke Herzkammer. Vielleicht bekomme ich morgen ein neues Element für mein Periodensystem, wäre schön, wenn es nur Positronen hätte, dann würde ich nachts besser schlafen und morgens ohne Platzwunden aufwachen. Bier mit Wodka ist die beste Medizin gegen krankhafte Erinnerungen.

Wissen Sie, ich frage nur deshalb nach, weil ich es sonst nicht einordnen kann. Hab ich nicht gepasst? Irgend eine Schublade muss mir doch passen. Ich schneid mir auch die Beine kurz, mache Origami-Yoga, wenn das hilft. Ach, sie meinen das hätte nichts mit mir zu tun? Das ist so halb gut, denn wenn es nichts mit mir zu tun hat, dann muss es was mit ihnen zu tun haben, was wiederum heißt, dass ich ein Problem mit ihnen habe. Sie wünschen mir viel Glück für die Zukunft? Wissen Sie, das brauche ich jetzt auch. Ich gehe in den Baumarkt, kaufe drei Dübel und vier Schrauben und hänge es mir an die Wand, in einem schönen Holzrahmen, den ich später meinen Enkeln vermachen kann. Mit freundlichen Grüßen in die Hölle der Absagen, in der man jeden Tag Briefe bekommt, die keiner persönlichen Unterschrift bedürfen. Wer entscheidet eigentlich über das Leben anderer und was würde ihre Mutter dazu sagen, wenn sie das wüsste.


Ich lauf mir einen Wolf auf dem Heimweg, zusammen heulen wir den Mond an, er sieht aus wie ein großer Stein auf meinen Schultern. Im Regen laufe ich und der Brief wird nass. Ich trinke einen Schluck Sekt aus der Piccolo, die noch ganz erschrocken aussieht, so hektisch habe ich sie im Spätshop gekauft. Ein fetter Tropfen fällt auf meine Adresse und denkt sich nichts dabei. Um meine Füße herum wachsen Pfützen meine Waden hinauf, bis ins Gesicht. Die Zigarette dampft sich ihren Weg nach oben, ich huste mir meinen Lebenstraum aus den verklebten Bronchien. Die Räder der Autos sind lauter, wenn es geregnet hat. „Ist doch nur Niederschlag“ sagst du. Das stimmt sage ich, und rülpse vom Sekt ein Requiem, während meine Rippen gebrochen den Takt dazu klappern. Vielleicht zeig ichs denen irgendwann noch mal, denke ich, und weiß nur nicht genau was. Schlag ein, sagt das Leben und hält mir seine Hand hin mit dem Dreck unter den Nägeln. Ich drücke meine Kippe darauf aus und stehe. Wieder auf.


.felix wetzel.

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