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  • AutorenbildFelix

#16 // Gekündigt



Ich habe mich immer gefragt, wie die Welt da draußen so ist, während ich drinnen saß. Durch Plexiglas hab ich gestarrt, nur Umrisse gesehen, das Leben eine wabernde Silhouette, eine leise Ahnung von irgendwas. Man kann das Komfortzone nennen, ich nenne es Milchblase. Sie hat nicht mal geknallt, als ich sie mit dem Fingernagel gestochen habe. Gezischt hat es, heiße Luft ist entwichen. Wie beim Teekessel meiner Oma früher. Ich im Kessel, die Welt eine leere Tasse. Jetzt bin ich draußen und stelle fest: Die Welt ist voller Menschen, die in unterschiedliche Richtungen wollen. Es gibt da draußen zu wenig Sitzplätze und dauernd kommt etwas später, als man es für notwendig erachtet. Oder es bricht über einen herein, im Frühling kann das ein Platzregen sein, manchmal ist es auch Geschrei von der anderen Straßenseite. Nur wenn der Wind aufkommt, vermischt sich der beißende Geruch mit etwas Hoffnung. Dann sammeln sich die Blütenblätter am Straßenrand.


Alles fühlt sich an, wie am ersten Schultag. Kein Gesicht bekannt, nichts ist gelernt. Mein Sitznachbar im Ersatzverkehr hat heute morgen nicht geduscht, der Busfahrer hat nur einen vierten Gang. Wir schaukeln und fallen durch die Enge. Platzangst in der Weite, zum Glück muss ich an der Endhaltestelle raus. Vorher war die Ordnung da, kaum eine Minute ohne festen Plan. Meeting, Pause, länger machen, das Feierabendbier als Rechtfertigung. Jetzt liegt der Tag vor mir und hat nichts mit mir vor. Erst willst du es immer, denkst abends daran, wenn der geplante Ablauf dich zur Ruhe bringt. Dann bist du draußen und guckst um jede Straßenecke drei Mal rum, bevor du losgehst. Sich ins Leben zurück kämpfen, dieser Satz fällt mir dauernd ein. Ein Scharmützel mit stumpfen Klingen, die unter meinen Rippen klimpern.


In einem Park übe ich sitzen bleiben. Nichts vorhaben, kein Ziel anvisieren, nur sich selbst der nächste Schritt sein. Ich bin dankbar für jeden Käfer, den ich verscheuchen kann. Den Käfern macht das nichts daraus, sie kommen immer wieder in großen Bögen. Die Wischbewegung erinnert mich an den Moment, als ich die Blase platzen lassen habe. Als ich an einem Schaufenster stehen bleibe und mich anschaue, sehe ich noch Fetzen von ihr in meinen Haaren hängen. Das wird mir wohl noch eine Weile nachhängen. Ich picke sie mit den Fingern heraus und schnipse sie in den Rinnstein. Ich nehme jetzt immer einen Pullover zusätzlich mit, meine Gänsehaut trag ich als Tagesdecke. Noch ein Blick in das Schaufenster, um mir sicher zu sein, dass ich es auch bin. Denn ich fühle mich ganz anders an seit einigen Tagen. Und dann ein Fuß vor den anderen, dabei nur nicht aus dem Rhythmus kommen. My heart beats the shit out of me.


Es gibt Menschen, die sind sich ihrer Sache so sicher, die stellen sich auf eine Bühne und erzählen den anderen, was sie für richtig halten. So und nur so geht das, wissen sie. Ich dagegen scheine irgendwo ein Leck zu haben. Nichts bleibt lang in mir, nicht setzt sich fest. Eine trübe Suppe läuft mir aus dem Herzen, ich bin ein Auslaufmodell. Was ich der Welt noch geben kann, das wird mir schnell klar. Ich bin mir nicht sicher. 


Die Menschen ordnen sich neu an, als hätte einer den Tisch umgeworfen mit dem Puzzle und der halbleeren Weinflasche darauf. Ein Klumpatsch aus richtig, falsch und roter Farbe. Unter dem Tisch bildet sich ein Rinnsaal, das im Teppich versickert, so wie mein Name langsam eintrocknet bei denen, die ich verlassen habe. Plötzlich verbringst du den Tag mit einem, den du kaum zu kennen scheinst, mit dir selbst. Und die anderen, die sind auf einmal von der Blase verschluckt. Ich schaue gespannt, wer hin und wieder seine Hand heraus streckt zu mir und wer sich aus dem Milchschaum macht. Und für einen Moment begreife ich, was Liebe ist, und warum wir sie so sehr wollen. Wenn nämlich die Blase platzt, ist ihr Echo das einizge, das uns bekannt vorkommt. 

 .felix wetzel.

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