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#14 // Hoppegarten



Wenn die Pferde nach dem Rennen verschwitzt sind, müssen sie noch kurz zum Sattelplatz. Dort wird ihnen die Last von den Schultern genommen, ein Eimer Wasser löscht den Brand in den Beinen. Dann werden sie eine Box weiter geführt, dort bekommen sie eine kalte Dusche. Währenddessen werden am Sattelplatz die Sieger geehrt. Du sagst: „Eigentlich müssten die Pferde aufs Podest.“ Ich habe das auch gerade gedacht.


Wenn ich bei dir bin, dann hab ich den Frieden mit den Dingen gefunden. Das muss man sich vorstellen, als könnte man auf eine einsame Insel alles das mitnehmen, das einen glücklich macht. Außer sich selbst. Eine paradiesische Ruhe. Deine blonden Haare werfen der Sonne ein müdes Lächeln zu, während ich daneben stehe, zuschaue und mich frage, wo du all die Jahre gewesen bist und ob es da schön war. Vielleicht gehst du mit mir ja irgendwann dahin. Ich habe längst gepackt. Ich bin das nicht mehr gewöhnt, dieses nicht die Muskeln anspannen. Obwohl du viel redest, immer etwas fragst oder denkst, bin ich ganz bei mir. Als hätte einer die Notwendigkeit beiseite geräumt und durch die Essenz eines Vanilleeis’ ersetzt. Wenn du morgen von mir weg gehst, wird mein Blut noch eine Weile süß sein. Das rauscht ganz anders, als wenn es sauer wird.


Zwischendurch fängt es an zu regnen. Die Reichen habe große Schirme, Haut, an denen alles abperlt. Wir haben dünne Jacken und endlich Platz ganz vorn am Zieleinlauf. Während die Pferde ins Ziel stürmen, liest du versunken im Programm. Ich lasse dich alles verpassen, merke mir aber die Reihenfolge der Reiter, du wirst gleich danach fragen. Die Jockeys sehen aus wie Umpalumpas, ihre bunten Hemden leuchten noch auf der Gegengerade. Du bist grundsätzlich für das Pferd mit dem schönsten Jockeyhemd. Ein Hufeisen, ein Fußball, rote Sterne. Wir gehen zum Totostand, und ich setze meinen letzten Schein für dich auf den Jockey mit der Bommel auf dem Helm. Du lachst dich tot, unser Pferd wird vierter. Seinen Namen sprechen wir falsch aus. Als wir raus gehen, nimmst du meine Hand und sagst: „Tut mir leid wegen dem Geld.“ Ich bin nicht ganz sicher ob du weißt, dass ich viel mehr mitnehme, als ich vorher dabei hatte.


Ich habe das Dach vom Auto aufgelassen. Der Regen! Du guckst von außen durch das Fenster und stellst dir vor, wie Fische darin schwimmen. Ich stell mir vor, wie es morgen früh riechen wird. Als wir dann fahren schaust du aus dem Fenster und singst leise den Text eines Liedes mit. Manchmal bist du wie ich, manchmal nicht. Den schmalen Grat dazwischen gehst du auf Zehenspitzen, es scheint dich nicht mal anzustrengen. Du hast keinen Führerschein, das ist der Moment, in dem ich etwas für dich tun kann. Ich würde so gern viel mehr tun, aber du brauchst mich dafür gar nicht. Auch den Text vom nächsten Lied kennst du. Ich traue mich nicht in den Innenspiegel zu schauen, du könntest es in meinen Augen sehen.


Was die Dinge schön macht haben wir uns zusammen beigebracht. Ich brauche, wie du mich anschaust, deine Augen sind blauer als meine. Du brauchst, wie ich dich festhalte, meine Hände sind größer als deine. Jetzt bist du müde, früh ins Bett gegangen. Ich sitze nebenan im dunklen Zimmer und kann mich an meine Schatten nicht erinnern. Die Heizung rauscht, deine Tür ein Spalt offen. Seit du da bist, habe ich keine Angst mehr. Zumindest nicht bis morgen früh, wenn ich dich in die Schule gebracht habe. So lang sitz ich mit dir auf einer Wolke, sie hat die Form des vierten Platzes im sechsten Rennen, der Jockey eine Bommel. Ich kann den Namen des Pferdes nicht aussprechen. Jetzt bloß nicht nach unten schauen.


.felix wetzel.

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